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DLG-Agrifuture Concept Winner 2022

Shortlist für den neuen Zukunftspreis Agrartechnik

Im Rahmen der EuroTier und EnergyDecentral 2022 kürt die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) erstmalig die „DLG-Agrifuture Concept Winner“ für landtechnische Pionierarbeiten und Zukunftsvisionen. Die neue Auszeichnung konzentriert sich auf die technischen Möglichkeiten in den kommenden Jahren und nimmt die realistischen Umsetzungschancen in den Blick. Die DLG hat jetzt die Shortlist der sechs nominierten Innovationen für den Preis bekanntgegeben. Aus der Shortlist werden in einer zweiten Runde von Fachgremien der DLG und internationalen Vertretern die Sieger gekürt. Die Preisverleihung findet am 17. November auf der EuroTier und EnergyDecentral in Hannover statt.

BASF SE (Halle 21, Stand G31)

More Sustainable Milk

Miteinreicher: John Deere Walldorf GmbH & Co. KG, Lehr- und Versuchsanstalt Hofgut Neumühle, Hochwald Molkerei, Technische Universität Kaiserslautern sowie zwei Praxisbetriebe

Aus der prozessualen Sicht gleicht die Wertschöpfungskette der Milchproduktion aktuell noch einem Flickenteppich. Während in einzelnen Prozessgliedern in großem Umfang Daten erfasst, ausgewertet und für Managemententscheidungen herangezogen werden, ist eine Datenerfassung an anderen Stellen des Prozesses entweder gar nicht implementiert oder der Landwirt kann die Daten aufgrund fehlender Schnittstellen oder nicht miteinander kompatibler Systeme nicht oder nur eingeschränkt nutzen.

Beim Konzept More Sustainable Milk „Nachhaltigere Milch“ haben sich erstmalig mehrere Unternehmen und Landwirte zusammengeschlossen, um die Milchproduktivität entlang der gesamten Wertschöpfungskette durch eine datenbasierte Massenstrom- und Nachhaltigkeitsberechnung im Produktionsprozess zu verbessern. Neben dem Lead-Partner Lehr- und Versuchsanstalt Hofgut Neumühle sind die BASF SE, John Deere, die Hochwald Molkerei, die Technische Universität Kaiserlautern sowie zwei Praxisbetriebe am Projekt beteiligt. Beim Konzept werden zu jedem Produktionsschritt Daten gesammelt und in einem zentralen Daten-Dashboard zusammengefasst. Auf Basis dieser Daten kann der Produktionsprozess optimiert werden, beginnend von der Futterproduktion und -zusammensetzung über den Gesundheitszustand der Tiere bis hin zum Austrag von Nährstoffen und der Reduktion von Emissionen. Konkret können beispielsweise importierte Futtermittel durch Nebenprodukte der Lebensmittelproduktion und regional erzeugte Futtermittel ersetzt oder in der Gülle Nitrifikationshemmstoffe eingesetzt werden. Über die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) zur Stickstoffmessung in der Gülle und eine Stickstoffausbringung mit variabler Rate (VRA) wird die ausgebrachte Nährstoffmenge dem Bedarf der Futterpflanzen angepasst. Komplettiert werden die Optimierungsmaßnahmen durch Komponenten wie Tiergesundheitsüberwachungssysteme und CO2-Bewertungsmodelle.

Über die Optimierung der Prozesse hin zu einer nachhaltigen und effizienten Milcherzeugung soll das Konzept den Landwirten zukünftig auch die nötigen Betriebsmanagementinformationen sowie Entscheidungshilfen liefern, um ihren Betrieb möglichst effizient managen sowie die nötigen Dokumentationspflichten - z. B. im Hinblick auf den Nährstoff- und CO2-Austrag - erfüllen zu können.

Wilhelm Kristen GmbH (Halle 12, Stand C41)

Modularer Zukunftsstall

Herkömmliche Milchviehställe gehen mit hohen Investitionen in Baumaterialien einher. Hintergrund ist oft die individuelle Planung, die in der Regel „Top down“ vom Stallgebäude aus erfolgt, in das dann weitere Elemente wie die Belüftung, Stalleinrichtung, Melktechnik usw. eingepasst werden.

Im Konzept des modularen Zukunftsstalls der Wilhelm Kristen GmbH wird der Stallbau „Bottom up“ gedacht, wobei ausgehend von den Bedürfnissen der Tiere, Mitarbeiter und Betriebsleiter Wert auf ein Maximum an Kuhkomfort und Arbeitseffizienz, ein einfaches und natürliches Belüftungssystem sowie eine möglichst einfache Unterkonstruktion gelegt wird.

Das modular aufgebaute Stallkonzept ist auf Robotermelken ausgerichtet. Die Fütterung erfolgt wahlweise über einen Futtermischwagen oder eine Troglösung mit Zuführband. Für die Entmistung stehen eine Schieber- oder Roboterlösung zur Verfügung. Bauseits dienen Teile der Stalleinrichtung, wie die Liegeboxen- und Fressplatzteiler, auch als Unterkonstruktion für den Dachaufbau. Da aufgrund dieser Bauweise nur wenige Fundamente benötigt werden, reduzieren sich die Betonarbeiten deutlich. Dies führt zu geringeren Baukosten und einer kürzeren Bauzeit, gleichzeitig steigen Transparenz und Übersicht im Gebäude. Die nötige Querlüftung im Gebäude wird über einen Giebel mit Kamin sowie die Möglichkeit sichergestellt, beide Seitenwände bis zu einer Höhe von 2,50 m öffnen zu können. Bei der Dacheindeckung stehen alle marktüblichen Optionen zur Verfügung, bis hin zu einer Dachbegrünung oder dem Aufbau einer Photovoltaikanlage.

Mit dem modularen Stallsystem können die Baukosten im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen um etwa 20 bis 25 % gesenkt werden. Gleichzeitig erhöht das System mit seiner Fokussierung auf die Bedürfnisse der Kühe und einem bereits bauseits optimierten Workflow bei den täglichen Stallarbeiten die Arbeitseffizienz. Es hilft so, den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs nach einer Investition dieser Größenordnung zu sichern und zu verbessern.

Lely Deutschland GmbH (Halle 13, Stand B44)

Lely Exos

Die Grünfutterernte ist einer der wichtigsten Arbeitsschritte in der Milchviehhaltung. Ein in der Regel auf eigenen Flächen erzeugtes, hochwertiges Grundfutter bestimmt wesentlich den Wert der Futterrationen. Es stellt die Grundlage einer wirtschaftlichen Milcherzeugung dar und ist für die Tiergesundheit essenziell.

Mit Lely Exos stellt die Lely Deutschland GmbH ein Konzept für das vollständig autonome Ernten und Füttern von frischem Gras vor. Die Grünfütterung über die Vegetationsperiode hat dabei einige Vorteile.

So entfällt beispielsweise der Energieverlust durch den Siliervorgang ebenso wie derjenige Teil der Erntekosten, der dadurch entsteht, dass für eine erfolgreiche Silierung auch in wetterbedingt engen Zeitfenstern eine hohe Schlagkraft beim Mähen, Zetten, Schwaden und Häckseln erreicht werden muss. Der vollelektrische Lely Exos stellt die Grünfutter-Tagesration für die  gesamte Herde autonom bereit. Der Roboter erkennt Hindernisse und navigiert nahtlos im Innen- und Außenbereich. Außerdem besteht die Möglichkeit, bereits während der Ernte Dünger auszubringen. Dadurch und weil das Mähen zum richtigen Zeitpunkt erfolgt, wird ein schnelles Nachwachsen des Grünlands gefördert und durch das im Verhältnis geringe Maschinengewicht der Boden geschont.

Auf diese Weise kann der Betrieb optimal von der Nutzung der gesamten Vegetationsperiode profitieren, mehr Milch aus selbst erzeugtem Futter produzieren und so Arbeit, Maschinen und den Zukauf von Futtermitteln reduzieren.

MECHATRONIK AUSTRIA GmbH (Halle 11, Stand D37)

KuhTracking

Technische und vor allem elektronische Systeme für das Herdenmanagement sind in der gesamten Tierhaltung auf dem Vormarsch. Bisher beschränken sich solche Systeme aber in der Regel auf Parameter, die mithilfe eines oder mehrerer Sensoren erfassbar werden. Die Daten werden dabei meistens kontinuierlich gesammelt und diskontinuierlich z. B. am Melk- oder Futterplatz zur Weiterverarbeitung an eine zentrale Software übergeben.

Mit der automatisierten Videoanalyse des Systems KuhTracking der Mechatronik Austria GmbH sollen tierspezifische Daten künftig kontinuierlich und in Echtzeit gemessen und dargestellt werden können.

Das in Kooperation mit der Forschungsanstalt Raumberg-Gumpenstein entwickelte System basiert auf der Verknüpfung moderner Kameratechnik und künstlicher Intelligenz (KI) mit einem intelligenten Herdenmanagementsystem zu einem komplexen biometrischen Tool. Es bietet Informationen zum Beispiel über Zyklusstatus, Kalbungen, Tierverhalten, Futteraufnahme oder Liegezeiten und ermöglicht so eine kontinuierliche Bewertung der Tiergesundheit.

Wenn alle nötigen Informationen zentral gespeichert und nur wenige Klicks entfernt sind und das System frühzeitig warnen kann, können Erkrankungen früher erkannt sowie durch Landwirt und Tierarzt schneller die nötigen Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Der Heilungsprozess wird dadurch verkürzt, Verluste minimiert und Tierarztkosten gesenkt, was letztlich sowohl die Rentabilität als auch das Tierwohl verbessert. Zudem werden Transparenz und Rückverfolgbarkeit innerhalb der Wertschöpfungskette durch die automatisierte Bereitstellung tierindividueller Daten sichergestellt.

Big Dutchman International GmbH (Halle 17, Stand B22)

Havito – Birth to Finish

Miteinreicher: H. Bröring GmbH & Co. KG

Heutige Stallanlagen in der Schweinehaltung basieren auf der Entwicklung hin zu mehr Effizienz und Arbeitsproduktivität mittels einer Steigerung der biologischen Leistungen. In der Zukunft werden Tierwohlaspekte einen deutlich größeren Raum einnehmen. Das bedeutet, dass Prozesse und Konzepte ohne Rückschritte beispielsweise in der Effizienz oder beim Unfallschutz der Mitarbeiter neu definiert oder in Richtung Tierwohl angepasst werden müssen.

Im Konzept Havito – Birth to Finish der Big Dutchman International GmbH und Bröring GmbH & Co. KG wird nun erstmals eine strukturierte Bucht vorgestellt, in der die Sau zunächst abferkeln kann und anschließend die Ferkel für die gesamte Aufzucht- und Mastzeit ohne Umsetzen verbleiben.

Das System basiert auf dem 2018 für den Einsatz in der Aufzucht und Mast eingeführten Konzept der PigT-Schweinetoilette, das nun auch auf die Sauen ausgeweitet wurde. Durch die geschlossene Oberfläche der gesamten Bucht und die kontinuierliche Trennung von Urin und Kot kann die ganze Bucht mit organischem Material eingestreut werden und die Schweine selbst strukturieren diese in einen Liegebereich, einen Beschäftigungsbereich und einen Kotbereich. Unterstützt wird die Strukturierung durch eine Mikroklimalösung und optional durch Heiz- und Kühlmöglichkeiten im Boden.

Das Konzept ist auf einen 21-Wochen-Zyklus von der Geburt, über eine 5- bis 6-wöchige Säugezeit sowie eine 15-wöchige Aufzucht-/Mastphase bis zur Schlachtung ausgelegt. Die in der Bucht geborenen Ferkel verbleiben hier ihr ganzes Leben lang, wobei das Konzept auch den steigenden Platzbedarf der wachsenden Tiere berücksichtigt. Auch die Sau wird immer im gleichen Stall abferkeln. Die Ferkel lernen von ihrer Mutter, wie sie Futter finden und der Fressplatz bleibt ein Leben lang gleich. Elemente, die für die Geburt der Ferkel im freien Abferkelbuchtbereich benötigt werden, können während der Aufzucht hochgeklappt werden.

Die immer stärkere Implementierung von Tierwohlaspekten ist weltweit einer der größten Treiber für eine Strukturveränderung in der Tierhaltung, die sich aufgrund der historischen Entwicklung insbesondere auf Anlagen für Schweine auswirken wird. Das Havito Birth-to-Finish-Haltungskonzept ist eine interessante und smarte Antwort auf die zukünftigen Herausforderungen.

VILOFOSS GROUP (Halle 21, Stand J08)

Produkt X

Wiederkäuer sind für rund ein Drittel der weltweiten Methanemissionen verantwortlich. Da Methan eine um ein Vielfaches höhere Klimawirksamkeit besitzt als CO2, wird der Reduktion des Methanausstoßes aus der Rinderhaltung ein großes Potenzial für den Klimaschutz beigemessen. Bisherige Ansätze verfolgen das Ziel, die Umweltauswirkungen zu verringern und setzen auf Änderungen in der Futterzusammensetzung wie beispielsweise eine Erhöhung des Nahrungsfettgehalts oder des Kraftfutter-Grundfutter-Verhältnisses oder auf eine genetische Selektion auf eine geringere Methanproduktion. Diese Konzepte können jedoch nicht das dringende Problem der Verringerung der Umweltbelastung durch Wiederkäuer in der notwendigen Geschwindigkeit lösen.

Mit Produkt X setzt die VILOFOSS GROUP nun darauf, den Methanausstoß von Rindern an der Quelle zu reduzieren. Produziert wird das Klimagas nämlich nicht durch die Kuh selbst, sondern durch methanogene Archaebakterien, die als Symbionten im Pansen leben und den Tieren beim Aufschließen des sonst unverdaulichen Futters helfen. Produkt X wird ein Futtermittelzusatzstoff auf chemischer Basis sein, den die Landwirte im Rahmen der Standardfütterung der Ration zusetzen. Seine Aufgabe ist es, das entsprechende Enzym im Methan-Syntheseweg der Archaebakterien zu hemmen, ohne selbst negative Eigenschaften für die Kühe oder deren Nährstoffverwertung aufzuweisen. Bisherige Ansätze gehen davon aus, dass Produkt X in der Lage sein wird, die Methanproduktion bei Milchkühen um circa 30 % zu reduzieren, während andere Ansätze kaum mehr als eine Reduktionsquote von 15 % erreichen können.

Produkt X verspricht somit eine deutliche Hemmung der Methanproduktion über die Zugabe von Futterzusatzstoffen, ist in den meisten Produktionssystemen einfach umsetzbar und hat das Potenzial, einen spürbaren Beitrag zur Einhaltung der Klimaziele zu leisten.